Die Haftung von vertraglich gebundenen Vermittlern nach § 2 Abs. 10 KWG
Die aufsichtsrechtliche Vorschrift des § 2 Abs. 10 KWG erlaubt es Anlageberatern, sich als vertraglich gebundene Vermittler (tied agents) einem sogenannten Haftungsdach anzuschließen. Der Vorteil für die Berater besteht darin, dass sie auf diese Weise in die Lage versetzt werden, Produkte zu beraten, die sie auf Grundlage einer Genehmigung nach der Gewerbeordnung nicht Beraten dürften. Dies eröffnet für Berater insbesondere den Zugang zur Beratung bezüglich Wertpapieren und Investmentfonds, ohne selbst die strengen Anforderungen des KWG zu erfüllen. Diese Anforderungen erfüllt das Haftungsdach und überwacht entsprechend die ihm angeschlossenen gebundenen Vermittler.
Ein weiterer zentraler Vorteil besteht darin, dass vertraglich gebundene Vermittler regelmäßig nicht Haftungsadressat bei einer möglichen Fehlberatung sind, sondern das Haftungsdach.
Als Gegenleistung geben die Vermittler üblicherweise einen Teil der Provisionen an das Haftungsdach ab.
Peres & Partner verfügt über besondere Expertise in der gerichtlichen Vertretung von tied agents. Im wohl größten Skandal um ein Haftungsdach überhaupt, die Dresdner Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut i. L. vertritt Rechtsanwalt Sochurek ca. 80 gebundene Vermittler gegen klagende Kunden in der gesamten Bundesrepublik mit großem Erfolg. Kein Anleger konnte bislang einen Anspruch durchsetzen. Gegenwärtig ist das erste Verfahren betreffend der Klage gegen einen gebundenen Vermittler vor dem BGH ). Der betroffene Vermittler wird seit der ersten Instanz unter Federführung von Sochurek durch Peres & Partner vertreten.
Sochurek hat bereits eine Vielzahl von Urteilen zu Gunsten von vertraglich gebundenen Vermittlern erstritten und verfügt über weitreichende Erfahrung.
1. Unter welchen Voraussetzungen haften vertraglich gebundene Vermittler
Ähnlich wie angestellte Berater haften tied agents üblicherweise nicht persönlich. Die Geschäfte, die sie unter dem Schutz des Haftungsdaches ausführen, sind regelmäßig unternehmensbezogene Geschäfte, mit der Folge, dass eine persönliche Haftung entfällt. Die Geschäfte werden nach den Regeln der bürgerlich rechtlichen Stellvertretung dem Haftungsdach zugerechnet.
Aufgrund des Umstandes, dass tied agents ihre Kunden oftmals sowohl in ihrer Eigenschaft als Selbstständige unter eigener Firma beraten als auch in ihrer Eigenschaft als tied agent, ist es besonders wichtig, auf eine strikte Trennung zu achten und die Offenlegung der Stellvertretung in jedem Falle ausdrücklich klarzustellen und schriftlich zu dokumentieren.
Vor diesem Hintergrund bleiben im Wesentlichen drei Konstellationen, wie ein tied agent persönlich in die Haftung geraten kann, wobei insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung der Stellvertretung Besonderheiten bestehen:
- - Die deliktische Haftung
- - Die Haftung wegen Inanspruchnahme von besonderem persönlichen Vertrauen
- - Mangelnde Offenlegung der Stellvertretung
2. Was bedeutete Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens?
Voraussetzung hierfür ist die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Hierbei muss es sich um eine Vertrauensstellung handeln, die über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht. Ferner ist Voraussetzung, dass der beratende tied agent eine von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen der Anlage übernimmt oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse besteht.
Die persönliche Gewähr wird in den seltensten Fällen anzunehmen sein. Sie grenzt schon an eine Garantieerklärung, die der tied agent üblicherweise nicht abgeben wird.
Auch an das wirtschaftliche Eigeninteresse sind hohe Anforderungen zu stellen. Das Interesse daran, für eine erfolgreiche Anlagevermittlung Provisionen oder Boni zu erhalten ist nach der Rechtsprechung ausdrücklich nicht ausreichend.
3. Wann besteht eine mangelnde Offenlegung der Stellvertretung?
Voraussetzung hierfür ist jedoch entweder eine ausdrückliche Offenlegung der Stellvertretung oder, dass sich die Stellvertretung aus den Begleitumständen ergibt, § 164 BGB.
Eine ausdrückliche Stellvertretung liegt vor, wenn der tied agent ausdrücklich sagt oder sich aus schriftlichen Dokumenten ausdrücklich ergibt, dass er nicht selbst der Vertragspartner wird, sondern das Haftungsdach. Eine ausdrückliche Offenlegung der Stellvertretung ist dem tied agent immer zu empfehlen, da die Beratungen typischerweise nicht in den Geschäftsräumen des Haftungsdaches, sondern beim Kunden zu Hause oder in den Geschäftsräumen des tied agents stattfinden.
Viele tied agents betreiben neben ihrer Tätigkeit unter dem Haftungsdach noch ein eigenes Unternehmen unter eigener Firma. Gerade in diesen Fällen ist peinlichst darauf zu achten, dem Kunden jeweils klar zu machen, wer jeweils der Vertragspartner ist und sich dies schriftlich bestätigen zu lassen.
Dies ist unbedingt anzuraten, da die Beweislast für die Offenlegung der Stellvertretung beim tied agent liegt. Sind die schriftlichen Dokumente nicht eindeutig und steht Aussage gegen Aussage, so wird ein Gericht möglicherweise die Passivlegitimation des tied agents bejahen, mit der Folge, dass er selbst Haftungsadressat ist. Wird diese Hürde überwunden, dann ist das Tor aufgestoßen, um die gesamten Anlageberatung auf den Prüfstand zu stellen.
4. Warum verklagen manche Anleger den vertraglich gebundenen Vermittler, wenn die Erfolgsaussichten so gering sind?
Vor dem Hintergrund dieser sehr geringen Erfolgsaussichten dürfte die Antwort wohl auf der Hand liegen:
Falls der tied agent in einem Rechtsstreit neben dem Haftungsdach mitverklagt wird, kann er zu Lasten der Beweissituation für das mitverklagte Haftungsdach nicht mehr die Zeugenstellung einnehmen. Daneben ist diejenige Konstellation anzutreffen, wie wir sie bei Infinus erleben, dass sich das Haftungsdach in wirtschaftlicher Schieflage befindet oder insolvent ist. Dann versuchen einige der betroffenen Anleger, sich an den einzig verbleibenden solventen Anspruchsgegner zu halten. Dies ist der vertraglich gebundene Vermittler.
5. Wann haftet ein vertraglich gebundener Vermittler nach § 2 Abs. 10 aus Deliktsrecht?
Die deliktischen Anspruchsgrundlagen werden von Gerichten sehr selten bejaht und ihre Voraussetzungen sind für den klagenden Anleger äußerst schwierig nachzuweisen.
Als mögliche Anspruchsgrundlage ist insbesondere zu nennen § 826 BGB. Diese Vorschrift setzt das Bestehen eines Beratungsvertrages nicht voraus. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kunde durch den tied agent vorsätzlich und in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise geschädigt worden ist. Diese Vorschrift spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle und erlangt meist dann Bedeutung, wenn jemand in Anspruch genommen werden soll, der offensichtlich nicht Vertragspartner des Kunden ist. Beispielsweise vertraglich gebundene vermittler wir im Fall Infinus, weil die Anleger befürchten, dass bei Infinus selbst „nichts zu holen“ ist.
Der Durchsetzung eines deliktischen Anspruchs ist schon aufgrund der hohen Beweisschwierigkeiten und weil üblicherweise auch ein Gericht erkennt, dass derlei Vorwürfe „an den Haaren herbeigezogen“ sind, äußerst selten Erfolg beschieden.
Des Weiteren kann noch der deliktische Anspruch der §§ 823 Abs. 2 BGB iVm strafrechtlichen Normen bestehen. Typischerweise kommen hier angebliche Urkundenfälschungen oder Betrug in Betracht. Auch diesen Ansprüchen bleibt der Erfolg nahezu in allen Fälle versagt. Dennoch kann es einem Vermittler passieren, sich im Fadenkreuz von strafrechtlichen Ermittlungen wieder zu finden, was emotional äußerst belastend sein kann.